Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers bei Verfall von Urlaub während Langzeiterkrankung
Urlaubsansprüche können verfallen. Fraglich ist im Einzelfall nur, ob und wann der Verfall eintritt.
Nach dem Bundesurlaubsgesetz entspricht das Urlaubsjahr dem Kalenderjahr, die Urlaubsansprüche sind daher zeitlich begrenzt auf den 31.12. Da Arbeitnehmer ihren Urlaub häufig aus dringenden betrieblichen oder krankheitsbedingten Gründen nicht im laufenden Jahr nehmen können, kann der Resturlaub auf die Zeit bis zum 31.03. des Folgejahres übertragen werden.
Bei Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers kann eine weitere Übertragung um 12 Monate, d.h. bis zum 31.03. des darauffolgenden Jahres vorgenommen werden.
Am Ende des Übertragungszeitraums verfällt der Urlaub aber nicht automatisch und ohne Zutun der Parteien, sodass er einfach weg wäre, sondern trifft den Arbeitgeber die Pflicht, den Arbeitnehmer über den Verfall des Urlaubs zu informieren und ihn aufzufordern, den Urlaub zu nehmen. Erst wenn der Arbeitnehmer sodann seinen Urlaub weiterhin nicht nimmt, verfallen die Urlaubstage. Kommt der Arbeitgeber der Aufklärungspflicht nicht nach, bleiben die Urlaubstage bestehen und verfallen nicht.
Fraglich ist nun, ob diese Pflicht des Arbeitgebers auch dann besteht, wenn der Arbeitnehmer langzeiterkrankt ist und auch am Ende des erweiterten Übertragungszeitraums nach 15 Monaten, seinen Urlaub nicht nehmen kann. Eine Aufforderung des Arbeitgebers erscheint hier formalistisch, da sie erkennbar ins Leere läuft.
Das LAG Hamm entschied mit Urteil vom 24.07.2019 – 5 Sa 676/19, dass eine Information und Aufforderung durch den Arbeitgeber nur dann sinnvoll ist, wenn der Urlaub genommen werden könne. Aus der EuGH-Rechtsprechung (Urteil vom 22.11.2011, C-214/10) folge zudem, dass ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen verhindern werden soll. Ist der Arbeitnehmer auch nach Ablauf der 15 Monate Übertragungszeitraum krank, verfallen seine Urlaubsansprüche daher auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht ausdrücklich über den Verfall aufgeklärt hat. Die Pflicht des Arbeitgebers entstehe dann wieder, wenn der Arbeitnehmer genesen sei und seinen Urlaub auch antreten könne.
Das Urteil des LAG Hamm war eines von zwei Urteilen, die ans BAG gelangten und die das BAG zur Entscheidung dem EuGH vorlegte (BAG, EuGH-Vorlage vom 7. Juli 2020 – 9 AZR 245/19 (A)). Der EuGH (C-727/20) hat die streitentscheidende Frage, ob auch langzeitarbeitsunfähige Arbeitnehmer über den Verfall ihrer Urlaubsansprüche informiert werden müssen, bislang noch nicht entschieden.
Auf eine Antwort wollte die 5. Kammer des LAG Hamm wohl nicht länger warten und entschied in jüngster Vergangenheit erneut, dass Urlaub im Fall von Langzeiterkrankung auch ohne ausdrückliche Aufforderung des Arbeitgebers nach Ablauf von 15 Monaten verfallen kann (Urteil vom 17.02.2022 – 5 Sa 872/21). Nach seiner Genesung ist der Arbeitnehmer über das Bestehen von Urlaubsansprüchen aufzuklären, damit er die restlichen Tage nehmen kann, so betont es das LAG wiederum.
Eine inhaltlich identische Entscheidung fällte das Arbeitsgericht Köln in seinem Urteil vom 30.09.2021 (8 Ca 2545/21) und bestätigte, dass die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers zur Urlaubsgewährung nicht gegenüber einem langzeiterkrankten Arbeitnehmer gelten.
Es bleibt dennoch abzuwarten, wie das EuGH die Vorlagefrage des BAG beantwortet. Auch wenn gute Gründe für das LAG Hamm und das Arbeitsgericht Köln sprechen, wird der EuGH eine eigene Entscheidung treffen, die für das BAG und alle weiteren Gerichte maßgebend sein wird.
Christiane Höppner
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
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