Vorratsgesellschaften zulässig – Agentur für Arbeit unterliegt vor dem SG Aachen
Das Geschäftsmodell mit Vorratsgesellschaften ist einfach erklärt, der Anbieter gründet eine Gesellschaft und beantragt für diese eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, ohne die Absicht, die Gesellschaft selbst zu führen, sondern sie inkl. der Erlaubnis zu verkaufen.
Eingetragener Zweck der Gesellschaft ist Arbeitnehmerüberlassung. Zweck der gründenden Gesellschafterin, häufig selbst eine Gesellschaft, ist ein anderer als Arbeitnehmerüberlassung.
Die Agentur für Arbeit erteilte im Fall, der dem Urteil des SG Aachen vom 07.12.2022 (Az. S 10 AL 205/21) zugrunde lag, zunächst die Erlaubnis, entzog sie später aber wieder mit dem Generalargument angeblicher Unzuverlässigkeit.
Hiergegen klagte die Gesellschaft mit Erfolg. Das SG Aachen folgte den Argumenten der Agentur für Arbeit nicht.
Zusammenfassend lässt der Vortrag der Agentur für Arbeit vorgerichtlich und schriftsätzlich tatsächlich nur den Schluss zu, es handele sich um eine Grundsatzentscheidung der Behörde gegen das Modell der Vorratsgesellschaften, zu deren Durchsetzung Argumente im Nachgang gesucht wurden. Das Vorbringen war derart haltlos und rechtlich gravierend falsch, dass sich die Frage aufdrängte, ob man es mit Juristen zu tun hatte.
Angefangen bei dem Umstand, dass sich die Agentur für Arbeit zunächst nicht entscheiden konnte, welches Mittel des AÜG sie anwendet. So hörte sie zu einem Widerruf an, erklärte dann aber die Rücknahme der Erlaubnis.
Sie argumentierte im Weiteren, es seien falsche Angaben über die Erlaubnisinhaberin gemacht worden, zielt damit aber eindeutig auf den Zweck der Gesellschafterin nicht auf die Erlaubnisinhaberin ab, sodass Betroffener der Rücknahme der Erlaubnis und Adressat des Verwaltungsaktes auseinanderfallen.
Ferner wirft die Agentur für Arbeit der Erlaubnisinhaberin vor, nur gegründet worden zu sein, um veräußert zu werden. Worin genau hier die Unzuverlässigkeit besteht, bleibt ohne Begründung, ganz so als würde das für sich sprechen. Dabei hat die Erlaubnisinhaberin noch keine einzige Handlung vorgenommen, die von der Agentur für Arbeit hätte geprüft werden können. Sie stellt das Geschäftsmodell unter Generalverdacht, ohne ansatzweise ein plausibles Argument hierfür zu benennen.
Der Hinweis, gegen die eigene Durchführungsanweisung zu verstoßen, in der es heißt: „Die BA ist Erlaubnisbehörde und nicht Instanz arbeitsrechtlicher Entscheidungsfindung. Deshalb soll sich die Vorgehensweise hinsichtlich arbeitsrechtlicher Beanstandungen gegenüber Verleihern auf solche Punkte erstrecken, denen gesicherte Rechtspositionen zugrunde liegen. […]“ bleibt vollständig unkommentiert.
Das Gericht weist im Urteil zutreffend darauf hin, dass die Behörde umfassende Möglichkeiten im AÜG vorfindet, um eine etwaige Unzuverlässigkeit prüfen zu können, die sich ggf. nach der Veräußerung einstellt. Änderungen in der Geschäftsführung, etc. sind unaufgefordert anzuzeigen. Die Erlaubnis wird nur befristet erteilt, es ist ein Antrag auf Verlängerung zu stellen, der für gewöhnlich eine Betriebsprüfung nach sich zieht. Die Agentur für Arbeit hat die Mittel der Rücknahme und des Widerrufs jederzeit zur Auswahl.
Um eine Begründung ihres Handelns anhand gegebener Fakten kommt die Agentur für Arbeit aber nicht herum. Das SG Aachen stellte mit seinem Urteil nochmal deutlich heraus, dass auch die Agentur für Arbeit nicht willkürlich handeln darf, sondern der judikativen Gewalt unterliegt.
Erwartungsgemäß legte die Agentur für Arbeit Berufung zum LSG Nordrhein-Westfalen ein (Az. L 20 AL 8/23). Auf die Qualität der Argumentation darf man gespannt sein.
Christiane Höppner
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht